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Wer ist Kaufmann im Sinne des Handelsrechts

Okt 17, 2024

Damit das Handelsrecht (z.B. die Regelungen des HGB)  Anwendung findet, muss einer der Beteiligten am Rechtsverkehr (z.B. Vertragsverhältnis) Kaufmann im Sinne des HGB sein.

Wann man für sich die „begehrte“ Kaufmannseigenschaft in Anspruch nehmen kann, ist in den §§ 1-6 HGB bestimmt. 

Die Bestimmung des Kaufmannsbegriffes war ein Kernanliegen der Handelsrechtsreform von 1998 (HRefG).  Insbesondere wurde hierdurch die oft kritisierte Unterscheidung zwischen typischen Geschäften im Warenhandel und dem Dienstleistungsgewerbe bzw. dem Handwerk zugunsten eines nahezu einheitlichen Anwendungsbereichs des Handelsrechts im gesamten Wirtschaftsleben aufgegeben. 

Mit Ausnahme der Kaufmannseigenschaft kraft bloßer Gesellschaftsform (z.B. GmbH, KG, AG), bildet das Betreiben eines Gewerbes die Grundlage der Kaufmannseigenschaft. 

Erforderlich ist also, dass das ausgeübte / betriebene Gewerbe nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb benötigt. 

Davon abzugrenzen ist etwa das sogenannte Kleingewerbe.

Insgesamt kennt das Handelsrecht fünf verschiedene Möglichkeiten / Bedingungen, Kaufmann zu sein /werden.

Die Kaufmannseigenschaft hat wer, 

ist. 

Die nicht eingetragenen kleingewerblich tätigen Handelsvertreter, Handelsmakler, Kommissionäre, Frachtführer, Spediteure und Lagerhalter sowie der Scheinkaufmann sind keine Kaufleute, sie werden aber in gewisser Hinsicht dem Handelsrecht unterworfen!


Kaufmann kraft Betriebs eines Handelsgewerbes

Die Kaufmannseigenschaft wird durch das Betreiben eines Handelsgewerbes erworben.

Um zu bestimmen, ob die ausgeübte Tätigkeit ein Handelsgewerbe darstellt, ist zunächst zu definieren, ob überhaupt ein Gewerbe in handelsrechtlicher Sicht vorliegt. 

Eine konkrete Definition des Gewerbes ist dem Handelsgesetzbuch (HGB) nicht zu entnehmen. Auch die Gewerbeordnung (GewO) setzt den Begriff des Gewerbes als historisch erwachsen voraus und grenzt ihn (für bestimmte Bedürfnisse) durch seinen Negativkatalog (vgl. § 6 Abs, 1 GewO)  lediglich ab. Auch der steuerrechtliche Gewerbebegriff (vgl. 15 EstG) enthält einen positiv und negativ Katalog zur Bestimmung, des steuerrechtlich relevanten Gewerbes. Dieses ist jedoch ebenfalls, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, für das Handelsrecht unerheblich.

Im Handelsrecht hat sich die nachfolgende Definition etabliert und wird inzwischen einheitlich angenommen.

Demnach versteht man in handelsrechtlicher Sicht ein Gewerbe als eine

  • selbstständige Tätigkeit,
  • die nach außen erkennbar
  • und auf Dauer angelegt ist
  • sowie in erlaubter Weise
  • mit Gewinnerzielungsabsicht
  • und nicht als freier Beruf betrieben wird.

Wann ist man selbstständig?

Selbstständig ist, wer ein Unternehmerrisiko übernimmt und in persönlicher Unabhängigkeit seine Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten kann. (so auch für den Handelsvertreter gem. § 84 Abs, 1 HGB).

Die Bestimmung, ob tatsächlich eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, ist stets im Einzelfall zu prüfen und kann in manchen Konstellationen schwierig sein. Im Zweifel sollte hier fachkundiger Rat durch einen spezialisierten Rechtsanwalt eingeholt werden, da es sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich und sozialrechtlich erhebliche Auswirkungen haben kann.

Während man früher – in handelsrechtlicher Sicht- darauf abgestellt hat, dass zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit es entschieden darauf ankommt, dass die Tätigkeit persönlich unabhängig sein muss, also gänzliche Freiheit von Ort, Zeit und Weisung, nebst eines eigenständigen Geschäftsbetriebs, wird heute überwiegend darauf abgestellt,

ob ein eigenständiges Auftreten am Markt zur Ausnutzung unternehmerischer Chancen besteht

Besonderheit:

Der Handelsvertreter ist trotz eines bestehenden fachlichen Weisungsrechts sowie oft fehlender eigener Organisation und Kapitalausstattung selbstständig tätig.

Auch der Franchisenehmer ist in der Regel trotz gewisser Bindung an die Vorgaben des Franchisegebers als selbstständiger Gewerbetreibender anzusehen.

Der Filialleiter einer Einzelhandelskette ist hingegen regelmäßig Angestellter und kein Kaufmann im Sinne des Handelsrechts.

Ob ein geschäftsführender Gesellschafter (z.B. einer GmbH) selbstständig tätig ist (besonders wichtig für die sozialrechtlichen Auswirkungen, ist stets im Einzelfall zu prüfen.

Erkennbarkeit nach Außen

Um eine Gewerbetätigkeit annehmen zu können, muss sich auch nach Außen erkennbar sein. Eine bloße innere Absicht reicht nicht aus. Vielmehr muss sie für die Geschäftspartner / Kunden ersichtlich sein.

Keine Erkennbarkeit nach Außen stellt das heimliche spekulieren an der Börse dar.

Keine Erkennbarkeit nach Außen liegt bei der bloßen Vermögensverwaltung, z.B. durch das Halten von GmbH-Anteilen vor. 

Auch hier kann es oft zu schwierigen Abgrenzungsfragen, etwa bei der Frage, wann liegt eine reine Vermögensverwaltung und wann ein Gewerbe vor oder wie es sich auswirkt, wenn man lediglich stiller Gesellschafter einer GmbH ist.  Bei Zweifel sollte auch hier stetes fachkundiger Rat durch einen spezialisierten Rechtsanwalt für Handelsrecht und Gesellschaftsrecht  oder einem Steuerberater eingeholt werden.

planmäßigkeit und ausrichtung auf eine vielzahl von geschäften

Die selbstständige Tätigkeit muss von vornherein auf eine Vielzahl von Geschäften gerichtet sein. Es muss bei einer Gesamtbetrachtung von einer Berufsmäßigkeit ausgegangen werden. Die Absicht, nur einmal oder bei Gelegenheit (z.b. eBay Verkäufe), ist nicht ausreichend.

Der Bogen wird hier jedoch nicht überspannt. So ist etwa eine lang andauernde oder ununterbrochene Tätigkeit nicht erforderlich.

Beispiele:

Der gelegentliche Verkauf über eBay und Co. stellt keine selbstständige Tätigkeit da. Auch der gelegentliche Weiterverkauf von überschüssigem Obst aus dem heimischen Garten begründet keine Vielzahl an Geschäften, was auch für den regelmäßigen Weiterverkauf eines Jahreswagens zutrifft.

Der Saisonbetrieb eines Eiscafés, Weihnachtsstands  etc. stellt hingegen schon eine selbstständige Tätigkeit dar. 

Erlaubtheit

Die Tätigkeit muss erlaubt sein. Dabei handelt es sich nicht etwa um erlaubnispflichtige Berufe (wie zum Beispiel Versicherungsvermittler), sondern um der Ehrbarkeit des Kaufmannes Rechnung zu tragen. 

Keine Gewerbetreibende sind im handelsrechtlichen Sinne nach herrschender Rechtsprechung etwa, Waffenschieber, Zuhälter, Rauschgifthändler, Hehler und Wucherer.  Also all jene Tätigkeiten, die gesetzes- und sittenwidrig sind.

Wirtschaftlichkeit / Gewinnerzielungsabsicht

Dieses Kriterium steht zunehmend in der Kritik. Ob eine Tätigkeit auf eine Gewinnerzielungsabsicht (also der Ertrag höher als der Aufwand / Investition ist), lässt sich nicht klar herausfinden, da es eine reine innere Einstellung ist. Um die erforderliche Rechtssicherheit im Handelsrecht zu gewährleisten, sind Kunden und Geschäftspartner aber auf objektive und von außenerkennbare Umstände angewiesen. So dass von einem überwiegenden Teil der Handelsrechtler gefordert wird, auf dieses Merkmal zu verzichten und darauf abzustellen, wie die Unternehmung auf dem Markt auftritt.

Kein freier Beruf

Die Abgrenzung der freien Berufe (z.B. Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ärzte, Architekten, Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller etc.) zum Gewerbebegriff (Kaufmannsstand) ist insbesondere standesrechtlichen Traditionen geschuldet.  Auch hier ist inzwischen die Kritik groß, weshalb Freiberuflern die Kaufmannseigenschaft, trotz gleicher Zielsetzung nicht zugesprochen werden sollte. Sie kommt aber in besonderen Konstellationen doch zu tragen. Etwa bei 

  • Mischtätigkeiten, deren Schwerpunkt im gewerblichen Bereich liegt 
  • Bei Freiberuflern die sich sich durch eine Kapitalgesellschaft organisieren
  • Bei vertraglich vereinbarter Gleichstellung des Freiberuflers als Kaufmann (z.B. durch AGB)
  • Als Scheinkaufmann

Das hätte dann aber auch die steuerrechtlichen Auswirkungen (Gewerbesteuer) zum Nachteil, wovon ja gerade Freiberufler profitieren.

Wann ist das Gewerbe ein Handelsgewerbe?

Kann festgestellt werden, dass die ausgeübte Tätigkeit ein Gewerbe darstellt, ist es zur zur Bestimmung, ob die Kaufmanneigenschaft zutrifft erforderlich, dass es sich hierbei auch um ein Handelsgewerbe handelt!

Ein Handelsgewerbe (Istkaufmann nach § 1 Abs. 2 HGB) ist,

„jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“

Mit der Art des Gewerbetriebes  ist die Geschäftsstruktur gemeint. Also die Vielfalt der Erzeugnisse und Dienstleistungen, die Abwicklungsweise der Geschäfte, der Kundenkreis, Teilnahme am Wechselverkehr etc. Es handelt sich um ein qualitatives Kriterium.

Mit der Umfang des Gewerbebetriebes ist dessen Größenordnung gemeint. Also Größe des Anlage- und Betriebskapitals, Umsatzvolumen, höhe des Kreditbedarfs, Zahl der Beschäftigen, Zahl und Größe der Betriebsstätte, Umfang der Werbung und Lagerhaltung. Es handelt sich um ein quantitatives Kriterium.

In kaufmännischer Weise ist ein Gewerbebetrieb eingerichtet, wenn er durch den Einsatz kaufmännischen Personals mit oder ohne Vertretungsmacht, eine Aufgliederung in Geschäfts- bzw. Zuständigkeitsbereichen, eine kaufmännische (doppelte) Buchführung, eine Aufbewahrung der geschäftlichen Korrespondenz, sowie einer Firmenführung zur Identifikation des Geschäftsinhabers geführt wird.  

Das uneigentliche Handelsgewerbe nach § 2 HGB – Der Kannkaufmann

Auch Kleingewerbetreibende können durch die Fiktion des § 2 HGB die Kaufmanns Eigenschaft erwerben, obwohl sie kein Handelsgewerbe betreiben.

Hierfür ist es aber zwingend erforderlich, dass die Firma in das Handelsregister eingetragen wird.

Durch die konstitutive Eintragung in das Handelsregister, oder durch die Gründung einer Personenhandelsgesellschaft iSd. § 105 HGB, werden auch Kleingewerbetreibende zu vollwertigen Kaufleuten und unterliegen in jeder Hinsicht dem Handelsrecht.

Achtung: Damit verlieren Sie auch Ihre Verbrauchereigenschaft und die damit einhergehenden Schutzvorschriften, mit Ausnahme der Verbraucherinsolvenz!

Stellt der Kannkaufmann fest, dass er sich mit den Regelungen des Handelsrecht nicht weiter beschäftigen will, kann er jederzeit ein Löschverfahren initiieren. Dies wirkt aber nicht rückwirkend.

Der Kannkaufmann ist also ein echter Kaufmann mit Rückfahrkarte!

Der uneigentliche Kaufmann nach § 3 HGB

Auch Land- und Forstwirte können durch Eintragung in das Handelsregister die Kaufmannseigenschaft erhalten und somit sich und ihren land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb und / oder Nebenbetrieb (Molkerei, Sägewerk, Gastwirtschaft etc.) dem Handelsrecht unterwerfen. 

Das erfordert allerdings, dass der Betrieb  nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichtet ist. Es gilt das oben gesagte.  

Kaufmann kraft Betriebs eines eingetragenen Gewerbebetriebs nach § 5 HGB

Wer zwar ein ordentliches Gewerbe betreibt, dieses aber kein Handelsgewerbe in handelsrechtlicher Sicht ist (siehe oben), kann sich und seine Firma gleichwohl dem Handelsrecht unterwerfen, wenn er sein Gewerbe im Handelsregister angemeldet hat. Es handelt sich dann um einen sogenannten Fiktivkaufmann.

Im wesentlichen ist die Vorschrift mit § 2 HGB identisch, hat jedoch eine andere Zielrichtung. Während es Sinn und Zweck des § 2 HGB ist, auch Kleingewerbetreibenden die freiwillige Möglichkeit zu geben, sich dem Handelsrecht zu unterwerfen, soll § 5 HGB den handelsrechtlichen Rechtsverkehr schützen. Denn ist ein Gewerbe im Handelsregister eingetragen, kann sich der Betreiber (außer in wenigen Ausnahmefällen) nicht darauf berufen,  er sei kein Kaufmann.

Anwendung findet die Vorschrift demnach, wenn die Eintragung nicht mit dem Wunsch erfolgt ist, Kaufmann zu sein. Die Eintragung irrtümlich erfolgt ist oder nach Wegfall der Eigenschaft als Handelsgewerbe nicht gelöscht worden ist.

ACHTUNG:

Die Vorschrift ist nur dann anwendbar, wenn sich im Prozess eine Partei ausdrücklich auf sie beruft!

Kaufmann kraft Gesellschaftsform nach § 6 HGB

Gemäß § 6 Abs. 1 HGB findet das gesamte Handelsrecht Anwendung auf Handelsgesellschaften, die in das Handelsregister eingetragenen werden. Das sind:

Obwohl Personengesellschaften grundsätzlich keine Rechtspersönlichkeit besitzen, kommt es entschieden darauf an, ob sie ein Handelsgewerbe betreiben. Es gilt das oben gesagte. Ansonsten handelt es sich in der Regel um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die dem allgemeinem  Zivilrecht und nicht dem Handelsrecht unterworfen ist. Partnerschaftsgesellschaften fallen nicht unter das Handelsrecht da sie ausschließlichen von Berufsträgern der freien Berufe gegründet und geführt werden und somit schon kein Gewerbe vorliegt.

Bei Kapitalgesellschaften ist dies anders. diese sind immer als Handelsgesellschaften zu qualifizien.

Der Scheinkaufmann

Scheinkaufmann ist, wer durch zurechenbares Verhalten den Anschein erweckt oder unterhält, Kaufmann zu sein.

Der Scheinkaufmann ist kein Kaufmann. er muss sich aber, sofern er zurechenbar den Anschein erweckt hat, er wäre einer, auch wie einer behandeln lasen. Damit handelt es sich um eine Rechtscheinhaftung.

Bsp. Der Nichtkaufmann bezeichnet seinen Handlungsgehilfen als Prokuristen, was nur Kaufmänner tun können (§ 48 Abs. 1 HGB).

Aber Vorsicht ist geboten. denn nur hier wird stets auch zu prüfen sein, ob der Dritte tatsächlich den Eindruck, er würde mit einem Kaufmann Geschäfte machen, entstanden ist.

Weiter muss Kausalität bestehen. Der Getäuschte muss  gerade im Vertrauen auf die fehlende Kaufmannseigenschaft, eine Handlung durchgeführt haben.

Mit Ihrem Rechtsanwalt für Handelsrecht erlangen Sie Klarheit und können rechtssicher agieren

Da die Eigenschaft des Handelsgewerbes und damit der Status „Kaufmann“ auch ohne Eintragung in das Handelsregister besteht, empfiehlt es sich, da das Handelsrecht somit unmittelbar Anwendung findet, sich durch die Unterstützung eines auf das Handelsrecht spezialisierten Rechtsanwaltes zurück zu greifen. Gerne stehen wir Ihnen hier in Dortmund persönlich, aber auch bundesweit via Telefon, E-Mail und Videokonferenzen (digital)  mit Rat und Tat zur Seite.

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