Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz-Was Betroffene und Arbeitgeber wissen sollten.
Sexuelle Belästigung kommt in deutschen Betrieben immer häufiger vor. Dabei handelt es sich keinesfalls um ein Kavaliersdelikt. Vielmehr kann eine sexuelle Belästigung erhebliche Folgen für die Betroffenen haben (Angst, Scham, ekel, Arbeitsunfähigkeit, Minderwertigkeitsgefühle.v.m.) und dem Unternehmen (Arbeitgeber) nachhaltig schaden (Reputationsverlust, Schadensersatzforderungen, Mitarbeiterverlust).
Schon die Aktivistin Tirana Burke machte mit dem #metoo im Jahre 2006 auf die sexuelle Belästigung afroamerikanischer Frauen weltweit aufmerksam, was schlussendlich seit dem Weinstein-Skandal durch die Hollywood Schauspielerin Alyssa Milano zu einer weltweiten Bewegung für mehr Aufmerksamkeit für das Thema „sexuelle Belästigung“ geführt. Obwohl der Hashtag millionenfach genutzt worden ist und ohne jeden Zweifel ein Bewusstsein für sexuellen Missbrauch geschaffen worden ist, finden sexuelle Übergriffe – sowohl verbal, also auch nonverbal und physisch noch immer statt und betreffen jedes Geschlecht -wenn auch nach wie vor weit überwiegend Frauen.
In diesem Beitrag erfahren Sie
- was eine sexuelle Belästigung ist
- welche Rechte Betroffene haben, wenn sie Opfer einer Belästigung wurden
- welche Rechte und Pflichten der Arbeitgeber hat, wenn in seinem Unternehmen ein Vorfall sexueller Belästigung festgestellt worden ist.
Was ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Nach § 3 Abs. 4 AGG ist liegt eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vor:
„wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“
Bei einer sexuellen Belästigung handelt es sich demnach um eine ungewollte Verhaltensweise die sexualisiert und gechlechtsbezogen ist. Das können sowohl Anspielungen, zweideutige „Witze“ unangemessene Berührungen (auch vermeintlich zufällige), als auch der erzeugte Druck, eine sexuelle Handlung zu erdulden oder sogar zu erwidern sein. Dieses Verhalten muss zudem die betroffene Person beleidigen, beschämen oder erniedrigen.
Es ist mithin nicht erforderlich, dass der „Täter“ die Würdeverletzung auch beabsichtigte. Vielmehr verbietet § 2 Abs. 1 Nr. 1-4 AGG jede Form der sexuellen Belästigung und gibt den Betroffenen einige Rechte mit, um sich entsprechend zu schützen und zu wehren.
Ohne jeden Zweifel sind am häufigsten Frauen Betroffene einer sexuellen Belästigung. Das Gesetz schütz aber selbstverständlich ebenso Männer und Transsexuelle vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz.
Die häufigsten Formen sexueller Belästigung
Zwar nennt das Gesetz bereits einige Formen der sexuellen Belästigung, jedoch können diese im Wesentlichen in drei verschiedenen Kategorieren (verbale, nonverbalen und physische) unterteilt werden.
Verbale Belästigung
- Anzügliche und zweideutige Witze
- Aufdringliche Bemerkungen über Kleidung, Aussehen oder das Privatleben
- Fragen mit sexuellem Inhalt zum Privatleben oder Intimssphäre
- Aufforderung eine sexuelle Handlung vorzunehmen: z.B. setz sich auf meinen Schoß“
- Sexualisierte oder unangemessene Einladung
Nonverbale Belästigung
- Aufdringliches oder anzügliches Starren
- Hinterherpfeifen
- Unerwünschte E-Mail, SMS, WhatsApp´s mit sexuellen Inhalt
- Unerwünschte Videos mit sexuellen Inhalt
- Unerwünschte und aufdringliche Annäherungsversuche über die sozialen Netzwerke
- Unsittliches Entblößen
Physische Belästigung
- Jede unerwünschte Berührung (Küssen, Streicheln, Kneifen, Umarmen, Tätscheln)
- Wiederholte körperliche Annäherung , vermeintlich zufällige Berührungen, wiederholte Missachtung der üblichen körperlichen Distanz (eine Armlänge).
- Körperliche Gewalt, sowie jede Form sexualisierter Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung.
Welche Rechte haben Betroffene einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz?
Jeder reagiert auf eine sexuelle Belästigung anders. Viele (sowohl Täter als auch Opfer) haben bereits Schwierigkeiten eine sexuelle Belästigung von einem „harmlosen“ Flirt zu unterscheiden. Dabei wird die sexuelle Belästigung vor allem dadurch bestimmt, dass sie unerwünscht, erniedrigend und einseitig ist. Oftmals kann es schon helfen, dem anderen unmissverständlich klar zu machen, dass weder die sexuellen Anspielungen noch die Berührungen erwünscht sind. In Fällen in denen das nicht reicht oder aber die Angst vor beruflichen Nachteilen zu groß ist, stehen den Betroffenen im wesentlichen drei Schutzrechte zur Verfügung:
- Das Beschwerderecht gem. § 13 AGG
- Das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 14 AGG
- Der Schadensersatzanspruch gem. § 15 AGG
Dazu im Einzelnen
Das Beschwerderecht gem. § 13 AGG
Alle Beschäftigten haben das Recht, sich bei der Annahme am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden zu sein, an die zuständigen Stelle (eine solche sollte in jedem Betrieb vorhanden sein) zu wenden und sich über eine sexuelle Belästigung zu beschweren.
Sollte eine solche Stelle (was in kleineren Betrieben der Fall sein dürfte) nicht vorhanden sein, kann die Beschwerde auch an die Personalabteilung oder die Geschäftsführung gerichtet werden.
Hier muss dann der Arbeitgeber unmittelbar angemessen und geeignete Maßnahmen ergreifen (zB. Versetzung, Abmahnung oder sogar Kündigung).
Leistungsverweigerungsrecht gem. § 14 AGG
Sollte der Arbeitgeber auf die Beschwerde der Betroffenen nicht oder nicht angemessen reagieren und insbesondere keine geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Betroffenen vor einer sexuellen Belästigung zu schützen, haben betroffene das Recht, der Arbeit unter voller Lohnzahlung fernzubleiben.
Betroffne sollten darauf achten, dass sie dem Arbeitgeber zuvor schriftlich auffordern angemessene und geeignete Maßnahmen zu ergreifen und auch darauf hinweisen, dass sollten diese nicht ergriffen werden, man die Arbeitsleistung verweigere. Es empfiehlt sich in der Praxis, jede Form der sexuellen Belästigung zu dokumentieren und Zeuge zu suchen, für den Fall, dass dies ggf. in einem Arbeitsprozess streitig werden würde.
Ein solcher Anspruch sollte nicht ohne vorherige Beratung oder Vertretung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht erfolgen!
Schadensersatz und Entschädigung gem. 15 AGG
Wird die sexuelle Belästigung vom Arbeitgeber oder arbeitgeberähnlichen Führungspersonen ausgeübt, wird eine Beschwerde keinen Sinn machen. Denn kein Arbeitgeber wird sich selbst sanktionieren.
In diesen Fällen oder in den Fällen in denen der Arbeitgeber keine geeigneten Maßnahmen ergriffen hat, kann der betroffenen Person auch ein Schadensersatz für entsprechende Aufwendungen (zB. Theraphiekosten) oder ein angemessener Entschädigungsanspruch (Schmerzensgeld) zustehen.
Wichtig ist, dass dieser Anspruch schriftlich binnen einer Frist von 2 Monaten eingereicht werden muss. Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nach, muss der Anspruch binnen 3 Monaten vor dem Arbeitsgericht eingeklagt werden!
Hinsichtlich der Höhe kommt es auf die Art und intensiviert der sexuellen Belästigung an. Erfahrungsgemäß liegt die zu leistende Entschädigung bei 1.000 € bis zu drei Monatsgehältern.
Ein solcher Anspruch sollte nicht ohne anwaltliche Begleitung (Anwalt für Arbeitsrecht) erfolgen!
Pflichten des Arbeitgebers
Arbeitgeber sind gem. § 12 AGG dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten vor einer sexuellen Belästigung zu schützen. Das betrifft bereits die zur Verfügungstellung geeigneter präventiver Maßnahmen, um eine Belästigung bereits nicht entstehen zu lassen.
Vor allem aber auch die Verpflichtung, bei Kenntnis einer sexuellen Belästigung geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese abzustellen oder für die Zukunft zu verhindern.
Schulung und Aufklärung
Jeder Arbeitgeber sollte in seinem Betrieb dafür Sorge tragen, dass seine Arbeitnehmer mit dem Thema “ sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ vertraut sind. Das kann in Form einer regelmäßigen Schulung (zB. durch externe Therapeuthen, Anwälten für Arbeitsrecht etc.) geschehen oder durch interne Seminare. Auch ein Rundbrief / Mail kann bereits förderlich sein, um für das Thema zu sensibilisieren.
Beschwerdestelle
Um der arbeitsrechtlichen Schutzpflicht nachzukommen, sind Arbeitgeber grundsätzlich dazu verpflichtet, eine entsprechende Beschwerdestelle einzurichten und bekannt zu machen. Je nach größe und vorkommen im Betrieb, kann dies eine Person oder eine Abteilung sein.
Hier sollten aber Arbeitgeber dafür sorge tragen, dass die Stelle einen. gesonderten Kommunikationskanal (z.B. E-Mailadresse) hat und ihr auch Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden, in denen eine vertrauensvolle Besprechung möglich ist.
Die Beschwerdestelle ist dazu verpflichtet, jeder Beschwerde nachzugehen und dem Arbeitgeber zu informieren.
Wichtig ist. Der betroffnen Person darf keinerlei Nachteil durch das Vorbringen der Beschwerde entstehen.
Weiter empfiehlt es sich, dass Arbeitgeber ein fundiertes Beschwerdemanagement etablieren. Die Beschwerde einer sexuellen Belästigung sollte nicht nur als „Einzelfall“ betrachtet werden, sondern als Maßnahmenkatalog zur Stabilisierung und Erhaltung des Betriebsklimas. Daher sollte der Beschwerdestelle durchaus ein entsprechend routinierter und professioneller Umgang mir derartigen Beschwerden an die Handgegeben bzw. erarbeitet werden,
Sowohl die Aufnahme der Beschwerde als auch das daran sicherlich anschließende Personalgespräch mit dem „Täter“ erfordert viel Feingefühl und Geschick. Hier ist es wichtig, dass Arbeitgeber und / oder die Beschwerdestelle (Personalabteilung) entsprechend geschult sind. Auch stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes entsprechend Leitfäden für derart sensible Personalgespräche zur Verfügung.
Kommt der Arbeitgeber nach seinen Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass eine sexuelle Belästigung stattgefunden hat, ist er dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Maßnahmen und Sanktionen
Ermahnung
Manchmal reicht es schon aus, dass der Belästigende ermahnt wird. Das mag dann ausreichend sein, wenn die Verletzung für ihn nicht allzu offensichtlich war und er ggf. die Signale der betroffenen Person missverstanden hat.
Abmahnung
In schwereren Fällen wird es erforderlich sein, den entsprechenden Arbeitnehmer abzumahnen. Eine solche Abmahnung wird dann auch Einzug in die Personalakte finden und kann bei Wiederholung zur verhaltensbedingten Kündigung führen.
Versetzung
In manchen Fällen ist das Betriebsklima durch die sexuelle Belästigung derart gestört, dass die beteiligten Personen -zum Schutze der Belästigten- räumlich zu trennen sind.
Kündigung
Wenn keines der oben genannten Mittel den erwünschten Erfolg verspricht oder die Belästigung trotz Abmahnung etc weiter stattfindet, hilft es in einigen Fällen nur, die Kündigung auszusprechen.
Bei der Abwägung, zu welchem Mittel gegriffen werden soll, ist immer der Grundsatz dr Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit zu berücksichtigen.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz- brauche ich einen Anwalt für Arbeitsrecht?
Grundsätzlich brauchen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer einen Anwalt für Arbeitsrecht, wenn es um das Thema Belästigung geht.
In gut laufenden Betrieben verfügt der Arbeitgeber über eine routinierte Beschwerdestelle, die sowohl pädagogisch als auch juristisch entsprechend geschult ist.
Auch Arbeitnehmer oder vermeintliche Täter benötigen für das Vorbringen oder der Stellungnahme einer Beschwerde, in der Regel keine juristische Unterstützung.
Eine anwaltliche Begleitung für den Arbeitgeber macht aber immer dann Sinn,
- wenn der Betrieb über keine Beschwerdestellte verfügt
- der vermeintliche Täter uneinsichtig ist oder die Tat gänzlich abstreitet
- Sanktionen wie Abmahnungen oder Kündigungen ausgesprochen werden sollen
- Der Arbeitgeber auf Schadensersatz verklagt wird
Für die Betroffene Person (Arbeitnehmer), wenn
- der Arbeitgeber die Beschwerde nicht ernst nimmt
- Sie angst haben sich überhaupt zu beschweren
- Wenn sie ihre Rechte (Leistungsverweigerung, Schadensersatz) geltend machen wollen
Für den vermeintlichen Täter
- wenn die Vorwürfe unzutreffend sind und ihnen arbeitsrechtliche Sanktionen (Abmahnung, Kündigung) drohen.
Anwaltliche Soforthilfe im Arbeitsrecht
Wenn Sie Opfer einer sexuellen Belästigung geworden sind oder in ihrem Betrieb eine sexuelle Belästigung gemeldet worden ist und Sie sich anwaltliche Unterstützung wünschen, steht Ihnen Rechtsanwalt Scholz als Ihr vertrauensvoller Anwalt für Arbeitsrecht in Dortmund / Umgebung und ggf. bundesweit zur Verfügung.
Buchen Sie gerne noch heute einen kostenlosen Erstberatungstermin und seien Sie versichert, dass dies in absoluter vertrauensvoller Umgebung stattfinden wird. Rechtsanwalt Scholz nimmt sich mit Feingefühl und Erfahrung die ausreichende Zeit, die Sie und Ihr Anliegen benötigen.